_Die Abizeitung - Die Reifeprüfung - ein subjektiver Eindruck

Die Zwölfte war vorbei. Jetzt ging es für viele auf ins Abitur. Aber was wussten wir schon davon? Sicher, man braucht es zum studieren, und von den vorigen Abi­klassen hatten wir ja auch schon einiges mit bekommen :

- ewig lange Pausen
- Probleme mit Mathe oder Französisch
- ein abgesperrtes Ernst-Weißert-Gebäude
- von Parties geprägte Abende / Wochen
- aber natürlich auch ein bisschen Abistress

Am Anfang des Jahres war die Motivation ziemlich gut (noch jedenfalls!). Natürlich gab es einige Umstellungen: die Klasse war nicht mehr "vollständig", es gab keinen Hauptunterricht mehr, nur noch Doppelstunden (deshalb aber auch längere Pausen), fast (!) keinen Morgenspruch, keine Epochenhefte (!!!). Die Lehrer sind auch die gleichen geblieben, auch wenn man sie zum Teil von einer neuen Seite kennenlernen durfte (Sport / Voges-Kliem); sowieso, das ganze Lernen war anders - viel notenorientierter.

Von den Lehrern wurde uns versprochen, dass bald die große Ernüchterung kommen werde, in Form von den ersten schlechten Arbeiten. Von diesem Tief werde man sich dann jedoch bald wieder erholen und zu neuen Höhen aufsteigen. Der anfängliche Absturz blieb jedoch für die meisten aus, und sogar die Lehrer schienen zum Teil recht über­rascht zu sein, wie gut der Schnitt der ersten Arbeiten ausfiel. Dieser Trend hielt glücklicherweise bis zu den eigentlichen Prüfungen an. Zum grössten Teil bildeten sich "Lerngruppen", die meist den vorher bestehenden Cliquen sehr ähnlich waren. Dieses gemeinsame Lernen war aber nur eine Seite, denn irgendwie machte sich auch ein bestimmter Egoismus breit, der viele (!) einschloss und sich darin äusserte, daß man "Erarbeitetes" (z. B. Ahnungen was genau drankommen könnte) für sich behielt oder nur auserlesenen Freunden mitteilte. Schließlich war das ein gewaltiger Vorteil, der einen besonders in Bezug auf die anderen "besser machte". Dieser Bezug zu den anderen wurde sowieso für viele immer wichtiger. Das ging aber soweit, dass die Klasse, beziehungsweise ihre Mitglieder, teilweise mehr gegeneinander , anstatt miteinander lernten und arbeiteten. Man könnte auch von Neid, Mißgunst, Arroganz und Ehrgeiz sprechen. Oder von der optimalen Vorbereitung auf die "Leistungsgesellschaft", die uns schließlich nach dem behütenden Schoss der Schule erwartet. Aber ganz so schlimm war es dann auch wieder nicht: natürlich gab es auch Dinge, die wir miteinander gemacht haben: z.B. die Vorbereitungen für Abi-Ball, -Zeitung und -Scherz, Sneak-Previews, Fussball-guck-Abende, Parties, Volley­ball-Training .

Die Motivation wurde mit dem Fortschreiten des Abiturjahres nicht besser. Schliesslich lief nicht alles für alle so wie geplant. Schuld daran waren natürlich die Lehrer (wer denn auch sonst?). Wirklich Schuld daran waren meist der wachsende Stress, Uneinsichtigkeit und/oder Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten, die "beschissenen" Sprüche der anderen oder schlicht Faulheit.

Deshalb bestand das Abiturjahr nicht nur aus einer Reifeprüfung auf intellektueller Ebene, sondern auch aus einer Reifeprüfung des Willens, bestimmter Gefühle und sozialer Fähigkeiten. Wobei: direkt geprüft wurde letztendlich nur die intellektuelle Ebene und vielleicht noch die des Durchhaltevermögens, des Willens und der psychischen Belastbarkeit. Aber, bedeutet "Reife" nicht mehr, als intellektuell leistungsfähig zu sein?

Dass alle viel gelernt haben, das ist sicher. Dass viele mehr hätten lernen können, ist aber genauso sicher. Wieviel nun jeder einzelne gelernt hat, oder wieviel jeder reifer geworden ist, das lässt sich wohl kaum an dem Notenergebnis der "Reifeprüfung" ablesen. Ablesen läßt sich aber, inwieweit der einzelne fähig ist, eine gute Leistung im heutigen (Bildungs-)System abzuliefern, das heisst, inwieweit man ein von aussen vorgegebenes Ziel erreichen und sich der allgemein anerkannten Denkweise anpassen kann.

Alles in allem war die Dreizehnte bestimmt für alle von uns ein interessantes, wichtiges und für die meisten glücklicherweise auch ein erfolgreiches Jahr.

(???)

 

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